Die Schellenberger Eishöhle in Corona- Zeiten
Eisige Wunder und besessene Forscher
Schellenberger Eishöhle: Besucher zeigen Verständnis für Corona-Auflagen
Marktschellenberg – Die Führung durch die Schellenberger Eishöhle, ein sympathisches kleines Naturdenkmal jenseits des Massentourismus, muss man sich verdienen, in 2,5 bis 3,5 Stunden schweißtreibendem Aufstieg von Marktschellenberg aus. Auch von der Untersbergbahn-Bergstation, die frühestens ab 15. August wieder öffnet, muss man bis zur Höhle eine anspruchsvollen, 1,5 bis zwei Stunden dauernde Wegstrecke bergab bewältigen. Die Belohnung: Mystische Welten aus Eis.
Die Reporterin der Heimatzeitung war bei der wegen der Corona-Auflagen heuer etwas anderen Eishöhlen-Führung live dabei. Am Sammelplatz direkt vor den mächtigen Felswänden des Untersberg-Massivs empfängt uns Paul Schmaus. Der 71-jährige Inzeller, ehemaliger Berufssoldat, kommandiert scherzhaft die bunt gemischte Gruppe: „Mei Liaba, Mundschutz, 1,5 Meter Abstand, jetzt geht’s auf!“. Unter dem Helm, der vor Steinschlag schützt, muss Corona-bedingt eine Hygiene-Einweghaube getragen werden. Und natürlich hat sich jeder Besucher mit einem Autogramm und seiner Telefonnummer in einer Liste zu verewigen.
Aus dem Sommer gehen wir in den Winter hinab, von etwa 25 Grad in 1,5 bis minus 0,5 Grad Celsius. Der Schneekegel am Höhleneingang schrumpft im Lauf der warmen Jahreszeit zusammen. „Der Führungsweg ändert sich täglich“, erklärt Paul Schmaus. Immer wieder müssen die Höhlenführer nacharbeiten. Auch die Rinnen neben den Treppen in der Höhle müssen regelmäßig frei geschlagen werden, damit das Wasser ablaufen kann, sonst würde alles vereisen.
In der Josef-Ritter-von-Angermayer-Halle, mit 70 Metern Länge und 40 Metern Breite die größte Halle der Höhle, stehen wir auf bis zu 30 Meter dickem Eis. Etwa 60.000 Kubikmeter Eis lagern in der Höhle. Die Leitern an der rückwärtigen Wand führen zum „Dohlenfriedhof“, in der Tat fand man hier unzählige Skelette von Vögeln, die sich hier zum Sterben niederließen.
Mit einer Magnesium-Fackel zeigt der Eishöhlenführer den Besuchen die Schichtungen des Eises. Die Skulptur am Wegrand erinnert an eine Kirche.
Der Mörk-Dom, benannt nach dem Forscher Alexander von Mörk.
Nachdem die Lampen verteilt sind, gelangen wir über eine Wendeltreppe in eine Welt der Sagen und Mythen. Majestätische Kirchengewölbe oder Orgelpfeifen aus Eis sind in den wundersamen Gebilden des „Mörkdoms“ zu erahnen. Der obligatorische Mundschutz stört wegen der Kälte wenig, er nervt nur die Brillenträger etwas, weil sich die Gläser beschlagen.
Die Treppen, die in die Tiefe führen, sind etwas ganz Besonderes: Die Stufen entstanden mit Motorsäge und Pickel aus blankem Eis. Auf Gummimatten können alle sicher gehen. Am Rand des Führungswegs spielten sich die Eishöhlenführer des Vereins für Höhlenkunde Marktschellenberg mit allerlei Eisskulpturen, aus dem herausgeschnittenen Material geformt. Eine erinnert sogar an eine Kirche. Geheimnisvoll bricht sich in den Eisblöcken das Licht verborgener Lampen.
Wie ein Vorhang hängt das Eis in eleganten Falten herab. Wenn man ein Stück links weiter nach oben abzweigt auf dem „Posseltsteig“, sieht man besonders eindrucksvoll die vielen Schichten des dicken Eises. Schmaus hat sichtlich Freude daran, die Geschichte der früheren und heutigen Höhlen-Abenteurer, die besessen waren und sind von ihrem Forschungsdrang, zu erzählen.
Es waren lauter „Verrückte“: Als erster Höhlenforscher kam 1874 der Salzburger Anton von Posselt-Czrorich. Erst Prof. Eberhard Fugger gelang es, einen ersten skizzenhaften Plan von der Höhle anzufertigen. Erst 1910 tauchte der besser ausgerüstete Alexander von Mörk auf, dem mit einer Strickleiter der 15 Meter tiefe Abstieg in den später nach ihm benannten „Mörkdom“ und sogar an den tiefsten Punkt, die Fuggerhalle 49 Meter unter der Eingangshöhle, glückte.
Dort in der Tiefe stehen jetzt noch zahlreiche „Eismandl“, die bald der Reihe nach umfallen werden, und erinnern an die Sagengestalten im Berg, wie die legendären Untersbergmandl. Beim Herrichten des 500 Meter langen Führungswegs in der Höhle halfen auch drei Höhlenforscher des Vereins mit, darunter Johann Westhauser, der durch die spektakuläre Rettung aus der „Riesending“-Höhle am Untersberg im Juni 2014 für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Auf dem Rückweg ins Tal lädt die Toni-Lenz-Hütte, die auch dem Verein gehört, zur Einkehr ein.
Die Führungen durch die Schellenberger Eishöhle finden bis Oktober täglich von 10 bis 16 Uhr zu jeder vollen Stunde statt. Im Oktober ist die letzte Führung um 15 Uhr. Auf warme Bekleidung und festes Schuhwerk ist unbedingt zu achten.Eintrittskarten sind direkt am ausgeschilderten Sammelplatz erhältlich.
Bericht und Fotos: Veronika Mergenthal